Mutters Weg durch das Tal des Vergessens
(Urspr. Titel "Altersvergesslichkeit oder schon Demenz?" auf Wunsch der FS geändert.)
Hallo,
ich wollte den Beitrag erst als Alias eröffnen, aber da ich dafür mehr ins Detail gehen muss, wäre ich wohl sowieso erkannt worden.
Es geht um meine 86-jährige Mutter.
Im Vorfeld muss ich schon mal sagen, dass unser Verhältnis nicht so dolle ist u. dass sie schon immer sehr schwierig war. Sie war schon immer sehr dominant, wollte (und will immer noch) immer schon gerne im Mittelpunkt stehen. Wenn das mal nicht so war u. man nicht nach ihrer Pfeife getanzt hat/tanzt, wurde/wird sie gerne ausfällig oder sie heult dann, wenn man nicht ihrer Meinung ist bzw., ihr mal die Meinung sagt. Aber sie darf austeilen. Sie macht auch keine Fehler u. gibt auch nichts zu, da kann sie sich bis aufs Messer streiten. Immer sind die Anderen an allem Schuld. Ich konnte zeitlebens nichts bei ihr richtig u. gut genug machen, wurde immer sehr unter Leistungsdruck gesetzt. Meine Mutter kenne ich eigentlich auch nur kränkelnd (war meistens nichts ernstes) und alles musste sich dann um sie drehen. Sie lag leidend im Bett/Sessel u. mein Vater hat ihr den Puls gefühlt. (er war Krankenpfleger... ;-)) Auch heute redet sie mit Vorliebe darüber, wie schlecht es ihr geht. 2013 hatte meine Mutter einen Lendenwirbelbruch, da hat sie sich nochmal um einiges zum negativen verändert. Sie redete da schon dauernd vom Sterben (ist aber auch schon vor 2 Jahrzehnten gestorben, als wir wegziehen wollten - da haben wir es dann gelassen, sie sagt, wenn wir mal 2 - 3 Wochen in den Urlaub fahren, dass sie, wenn wir so lange weg sind, dann nicht mehr lebt u. wollte sich auch schon den Strick nehmen, als ich mit 16 mal dachte, ich bin schwanger. Nur, damit man mal so einen Einblick bekommt, wie sie tickt). Dann war sie da mal eine ganze Zeit lang in der Reha recht verwirrt, konnte ihren Namen nicht mehr schreiben u. auch nicht mehr rechnen, sodass ich mir da schon Sorgen gemacht habe, dass es da jetzt geistig auch noch bergab geht. Das hat sich dann aber wieder relativiert. Ich hatte mich damals um alles gekümmert, hatte Pflegedienst organisiert, der 24 h kommt, da sie ja nicht aufstehen konnte u. nicht in die Kurzzeitpflege wollte, um Pflegestufe, habe regelmäßig mit den Ärzten gesprochen, etc. Dann wollte sie auf einmal doch in die Kurzzeitpflege, da sie der Meinung war, dass das mit meinem Vater nicht funktioniert zu Hause. Nun ja, auch das habe ich dann organisiert. Am Ende war aber wieder alles falsch, der Pflegedienst war nicht der richtige

Das war jetzt so die Vorgeschichte. Tut mir Leid, dass der Text nun recht lang wird, aber um das Ganze besser einschätzen zu können, bedarf es da ein paar Hintergründe.
Mein Vater ist nun 2014 gestorben. Seitdem wohnt meine Mutter alleine in ihrer Wohnung. Am liebsten hätte sie ja, dass ich zu ihr ziehe, aber möglichst ohne meinen Mann... Sie lehnt jegliche fremde Hilfe ab, will weder Pflegestufe (die ihr Ende 2013 aberkannt wurde, da sie gesagt hat, dass sie das nicht mehr will u. es ihr ja viel besser geht - ich war dann auch nicht dabei, als der MDK kam, denn ich darf sowieso nichts sagen u. wenn sie es nicht will, ist nichts zu machen) noch Pflegedienst, geschweige denn in Betreutes Wohnen oder Heim. Sie kommt mit den Geschäftsdingen überhaupt nicht zurecht, da muss ich mich um alles kümmern. Da fragt sie dann aber noch x andere Leute u. unterstellt mir, dass ich nicht Recht habe, obwohl bisher immer alles geklappt hat. Muss aber auch dazu sagen, dass das immer mein Vater gemacht hat u. sie es nun in dem Alter auch nicht mehr lernt. Ich putze einmal in der Woche für sie, sie kann ihre Wäsche nicht in der Maschine waschen (mein Vater hatte kurz vor seinem Tod eine neue gekauft, mit der kommt sie nicht mehr zurecht, obwohl ich es ihr schon mehrmals gezeigt habe). Sie wäscht dann ihre Kleidung mit der Hand. Die großen Sachen wie Handtücher u. Bettwäsche wasche ich. Sie könnte auch ihre Kleidung mit in den Wäschekorb machen, aber nun ja, da hat sie eben was zu tun, wenn sie es mit der Hand macht. Putzen tu ich im Wechsel mit meiner Tochter 1 x wöchentlich. Sie sagt zwar immer, ich muss es nicht machen u. dass sie ja so viel gemacht u. geputzt hat, aber man sieht nichts. Kleinere Sachen kauft sie alleine ein, größere ich. Sie geht alleine zum Arzt. (sehr selten) Da mir beim Arzt immer über den Mund gefahren wird, sehe ich nicht ein, dass ich da mitgehe. Da sind die Ärzte aber auch immer alle böse zu ihr. Aber ich habe schon bemerkt, als sie im Kh war, dass sie die Dinge dann so dreht, wie sie will u. sie selten der Wahrheit entsprechen. Sie kann sich nicht mehr selbst die Haare waschen, aber das verstehe ich, da sie Angst hat, dass sie da nicht mehr aus der Wanne rauskommt.
Nun kommt aber das, weshalb ich mir am meisten Sorgen mache: Sie hat Wortfindungsstörungen u. wenn ihr die Wörter dann nicht einfallen, wird sie aggressiv, wenn ich nicht weiß, was sie will. Sie schreibt sich jetzt aber auch viel auf. Tlwse. kommt sie mit Uhrzeiten nicht klar, wenn man sagt, 15:20 Uhr, weiß sie nicht, was gemeint ist, hält ihre Termine (KG) dann aber dennoch ein. Auch mit dem Datum hat sie immer wieder mal Probleme. Sie ruft wg. den kleinsten Dingen bei mir an u. fragt wg. jedem kleinen Pups, was sie machen soll. Ob es darum geht, ob sie mal zum Friseur gehen soll (das muss sie ja selbst sehen, dass sie da recht ungepflegt aussieht, liegt aber auch mit an ihrem massiven Haarausfall - sie hat wirklich kaum noch Haare auf dem Kopf, den sie seit Jahren hat. Dachte da schon an die Schilddrüse, da ich auch Hashimoto habe, aber HA hat nur TSH mal überprüft u. der war i. O.), wo sie einen Lappen hinlegen soll, was sie mit einem Pullover machen soll, den sie nicht mehr anzieht. Das sind jetzt nur mal so Beispiele, aber sind eben oft Kleinigkeiten, mit denen sie nicht zurecht kommt. Andererseits kann sie noch schreiben (sie hat mir vor kurzem einen "Brief" geschrieben (gut, waren nur zwei kleine Notizzettel), da war nur ein Fehler drin) u. Schriftbild hat sich nicht verändert u. lesen. Als ich sie darauf ansprach, dass wir deshalb mal zum Arzt gehen müssten, weil sie so viel vergisst, meinte sie, das wäre ja klar, wenn sie jahrelang alleine ist u. sie so wenig Ansprache hat. Gut, das stimmt, ich gehe mittlerweile nur noch 1 x die Woche hin, weil es mir besser geht, so wenig ich von ihr höre u. sehe. Sie geht ab u. an noch in ihre christliche Gemeinde, aber von den Leuten lässt sich auch niemand blicken. Die meisten Leute wollen auch nichts mehr mit ihr zu tun haben, da sie sich es sich durch ihre Art mit so vielen verscherzt hat, auch die Nachbarn nicht. Sie will auch immer alles nur mit mir machen u. ich habe ihr schon manchmal gesagt, sie solle mal zu Seniorennachmittagen gehen, was sie aber alles ablehnt, da sie ja dort keinen kennt u. auch keine Lust darauf hat. Meine Tochter hat auch keine große Lust mehr, zu ihr zu gehen, da sie dann auch nur über mich herzieht u. immer nur am meckern u. nölen ist. Dasselbe gilt für meine Nichte, die aber weiter weg wohnt. So bin ich ihr hauptsächlicher Ansprechpartner in allen Dingen u. fühle mich sehr oft davon überfordert.
Für mich ist klar, dass ich sie auf keinen Fall mal pflegen will u. kann, aus körperlichen u. auch psychischen Gründen. Aber das Ganze verdrängt sie immer gerne. Ich weiß auch nicht, wie ich das anstellen soll, dass mal ein Pflegedienst kommt, etc., da sie ja alles ablehnt. Sie will ja im Krankheitsfall noch nicht mal ins Kh.
Ich kann das Ganze nun nicht so richtig deuten, da sie ja schon immer so eine aggressive Art an sich hatte. Das Ganze hat sich aber seit 2013 nochmal um einiges verschlechtert. Vllt. hat hier ja jemand Ahnung, bzw., hatte einen nahen Verwandten, bei dem es ähnlich verlaufen ist u. kann mir sagen, ob das schon auf Demenz hindeutet? Dazu müsste ich sie ja erst mal zum Arzt bekommen.
Tut mir Leid, dass der Text so lang geworden ist. Danke fürs Lesen.